Maßgebendes Pensionsalter bei der Bewertung von Versorgungszusagen

12.12.2016
Aktenzeichen: IV C 6 – S 2176/07/10004:003

Mit einem schon seit langem erwarteten Schreiben reagiert das BMF auf mehrere Urteile des BAG und des BFH zur Frage, welches Pensionsalter bei der steuerbilanziellen Bewertung von Pensionsverpflichtungen im Allgemeinen und im Besonderen auch bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern anzusetzen ist. Betroffen sind Pensionszusagen in der Form von Direktzusagen und von Unterstützungskassenzusagen. Im Folgenden werden Hintergrund und Inhalt des BMF-Schreibens in vereinfachter Form dargestellt.

I. Hintergrund

Unter Pensionsalter ist hier das im Rahmen der Bewertung angenommene Alter des Arbeitnehmers bei Beginn der Altersrente zu verstehen; etwaige Versorgungsfälle aufgrund von Invalidität oder Tod sind davon unabhängig. Je niedriger das Pensionsalter angesetzt wird, desto näher ist bei einem Anwärter der erwartete Altersrentenbeginn, und desto länger ist die erwartete Rentenzahlungsdauer, so dass zumindest bei gleicher Rentenhöhe der Barwert der Pensionsverpflichtung höher ausfällt als bei einem späteren Pensionsalter. Wegen des in § 6a Abs. 3 EStG vorgeschriebenen Teilwertverfahrens ist das Pensionsalter nicht nur für die Höhe des Barwerts der Verpflichtung wesentlich, sondern bei aktiven Arbeitnehmern auch für das Finanzierungsende, d.h. das Alter, bis zu dem eine (im Rahmen der steuerrechtlichen Vorschriften) vollständige Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtung erfolgt. Dieses Finanzierungsende entspricht ebenfalls dem Pensionsalter, so dass ein späteres Pensionsalter nicht nur den Barwert, sondern auch den Teilwert und damit die steuerbilanzielle Rückstellung reduziert.

§ 6a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nennt den „in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls” als Pensionsalter, bis zu dem die Finanzierung der Zusage rechnungsmäßig abgeschlossen sein muss. Damit ist jedoch im Allgemeinen nicht geklärt, welches Alter gemeint ist, da gemäß § 6 BetrAVG Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich bereits dann bezogen werden können, wenn eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch genommen wird, i.d.R. also ab Alter 63. Aus diesem Grund sieht R 6a.11 EStR mit dem sog. zweiten Wahlrecht vor, dass dieser Zeitpunkt bei der Bewertung der Pensionsverpflichtungen als Pensionsalter angenommen werden kann, auch wenn das „vertraglich vereinbarte Pensionsalter” z.B. die Vollendung des 65. Lebensjahres oder das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht. Diese Regelung trägt auch eher dem tatsächlich beobachteten Pensionierungsverhalten in den meisten Arbeitnehmergruppen Rechnung. Ferner besteht auch die Möglichkeit, dass in der Pensionszusage mehrere oder überhaupt kein Pensionsalter explizit genannt sind.

Nachdem lange Zeit hindurch in der gesetzlichen Rentenversicherung die Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres bezogen werden konnte, wurde diese Regelaltersgrenze mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz (RVAltGrAnpG) vom 20.4.2007 um bis zu zwei Jahre angehoben. Nach 1963 geborene Arbeitnehmer können ihre Regelaltersrente nun erst ab Vollendung des 67. Lebensjahres beziehen. Das BAG entschied in der Folge mit Urteil vom 15.5.2012 (3 AZR 11/10) – und ähnlich am 13.1.2015 (3 AZR 897/12) – , dass in der betrieblichen Altersversorgung bei vor dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz erteilten Pensionszusagen eine feste Altersgrenze von 65 Jahren regelmäßig dynamisch als Bezug auf die jeweils geltende Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auszulegen sei, so dass die „feste” Altersgrenze in diesen Fällen auf 67 ansteigen würde. Damit erhob sich die Frage, ob diese (arbeitsrechtliche) Verschiebung der Altersgrenze sich auch auf die steuerbilanzielle Bewertung der Pensionsverpflichtungen auswirkt.

Neben dem Pensionsalter bei der steuerbilanziellen Bewertung der Pensionsverpflichtungen kann diese Verschiebung insbesondere die Höhe möglicher Rentenabschläge bei vorgezogenem Leistungsbezug und die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 BetrAVG) beeinflussen, und damit z.B. auch die Höhe handelsbilanzieller Pensionsrückstellungen.

Der genaue Umfang der von den BAG-Urteilen betroffenen Pensionszusagen ist allerdings nicht ganz klar; es muss wohl ein gewisser Bezug der Zusage zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehen, was sicherlich bei den in den Urteilen behandelten Gesamtversorgungszusagen der Fall ist. Inwieweit andere Zusagen dazu gehören, bleibt allerdings mangels diesbezüglicher Rechtsprechung noch ungeklärt.

II. Das BMF-Schreiben

Durch das BMF-Schreiben wird nun klargestellt, dass wegen des Schriftformerfordernisses von § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG „grundsätzlich das Pensionsalter maßgebend [sei], das in der jeweiligen Versorgungszusage festgeschrieben wurde” und „Änderungen […] eine schriftliche Anpassung der Pensionszusage” erforderten (Rn. 1). Wenn kein Pensionsalter in der Versorgungszusage genannt ist, sei die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Pensionsalter zu betrachten (Rn. 2). Dies gelte auch für die Gesamtversorgungszusagen, die in der BAG-Rechtsprechung behandelt wurden (Rn. 13).

Bei einer in der Zusage genannten festen Altersgrenze von 65 Jahren dürfte damit steuerbilanziell als Pensionsalter tatsächlich das 65. Lebensjahr anzusetzen sein und nicht etwa automatisch ein Übergang auf ein höheres Alter entsprechend der Regelaltersgrenze erfolgen, wie es nach der BAG-Rechtsprechung vermutet werden könnte. Konsequenterweise müsste das im Rahmen der steuerbilanziellen Bewertung u.E. auch für etwaige Rentenabschläge oder andere leistungsbeeinflussende Größen gelten, deren Höhe von der Altersgrenze abhängt.

Die hiermit für die Steuerbilanz betonte Bedeutung der Schriftform für die Bewertung der Pensionszusage trägt jedenfalls zur Klarheit der Situation bei und zwingt die Arbeitgeber nicht zu unnötigen Änderungen der Pensionszusagen, wenn sie keine (u.U. kostensparende) Auslegung der Pensionszusagen im BAG-Sinn beabsichtigen. Allerdings kann ein weiteres Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen Situation, bei der das BAG-Urteil möglicherweise zu berücksichtigen ist, und der steuerbilanziellen Bewertung die Folge sein.

Sofern das Unternehmen jedoch eine Änderung der Pensionszusage im Sinne der BAG-Urteile durchführt, also die feste Altersgrenze entsprechend der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ansteigen lassen will, müssen nach Rn. 14 zur Erfüllung der steuerrechtlichen Voraussetzungen die Pensionszusagen schriftlich abgeändert werden; für die bereits mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer könne diese Änderung auch durch eine „betriebsöffentliche schriftliche Erklärung” durchgeführt werden. Dabei müsse die Zusage aber „bis zum Ende des Wirtschaftsjahres angepasst werden, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt”; später angepasste Zusagen könnten „mangels hinreichender Schriftform bilanzsteuerrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden”; die entsprechenden Pensionsrückstellungen seien gewinnerhöhend aufzulösen.

Für die im Fall später durchgeführter Änderungen geforderte Auflösung der Pensionsrückstellungen ist uns in dieser Allgemeinheit kein Grund ersichtlich. Da die Schriftform maßgeblich ist, sollte doch die vor der Änderung vorhandene Festlegung (Vollendung des 65. Lebensjahres) hinreichend bestimmt sein. Eine spätere Anpassung der Altersgrenze ändert daran nichts. Gemeint ist vermutlich nur der Fall eines Auseinanderfallens der tatsächlichen Handhabung aufgrund des BAG-Urteils und der Schriftform nach dem Ende des Wirtschaftsjahres, das nach dem 9. Dezember 2016 beginnt.

III. Gesellschafter-Geschäftsführer

Die für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer bestehenden besonderen steuerrechtlichen Vorschriften werden in einem separaten Abschnitt des BMF-Schreibens behandelt. Mit Urteil vom 11.9.2013 (I R 72/12) stellte der BFH fest, dass auch für diese Personengruppe kein Mindestpensionsalter gefordert werden könne und keine Verknüpfung mit der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Dementsprechend soll nun die (für nicht schwerbehinderte) beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer in R 6a.8 EStR in Abhängigkeit vom Geburtsjahrgang getroffene Festlegung eines Mindestalters von 65 bis 67 Jahren nicht mehr angewandt werden (Rn. 5). Vielmehr sei – wie auch für andere Personengruppen – auf die vertraglich vorgesehene Altersgrenze abzustellen; das zweite Wahlrecht gemäß R 6a.11 EStR sei jedoch nicht anwendbar.

Sofern bisher wegen R 6a.8 EStR ein früheres Pensionsalter nicht bei der steuerbilanziellen Bewertung berücksichtigt wurde, wird ein Wahlrecht zum weiteren Ansatz des bisher verwendeten höheren Pensionsalters eingeräumt, das spätestens in der Bilanz des nach dem 9.12.2016 beginnenden Wirtschaftsjahres auszuüben ist (Rn. 6).

Diese Änderung bezieht sich allerdings nur auf die Berechnung der Pensionsrückstellungen. Hinsichtlich der möglichen Einordnung der Pensionszusage als verdeckte Gewinnausschüttung ist nach wie vor ein zweiter Prüfungsschritt erforderlich, der im BMF-Schreiben beschrieben wird (Rn. 8ff.). U.a. ist bei nach dem 9.12.2016 erteilten Pensionszusagen mit vertraglich vereinbarten Altersgrenzen unter 67 Jahren grundsätzlich die Unangemessenheit der Zusage anzunehmen, mit der Folge einer verdeckten Gewinnausschüttung; entsprechendes gilt bei früher erteilten Zusagen mit Altersgrenzen unter 65 Jahren.

IV. Handlungsbedarf

Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern kann eine Anpassung des Pensionsalters im genannten Übergangszeitraum erwogen werden. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass zwar die Pensionsrückstellung nun anders berechnet werden kann, dass aber weiter das Entstehen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Blick behalten werden muss. Bei Neuzusagen wird man die Ansicht der Finanzverwaltung beachten wollen, der zu Folge i.d.R. eine vertragliche Altersgrenze mindestens das Alter 67 erreichen soll, um diesbezügliche Schwierigkeiten zu vermeiden.

Bei anderen Versorgungszusagen dürfte ein Handlungsbedarf bezüglich der Altersgrenzen zumindest dann nicht mehr bestehen, wenn die Versorgungszusagen bereits (schriftlich) an die geänderten Regelaltersgrenzen angepasst wurden. Sofern der Arbeitgeber auch nach der Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung die in der Versorgungszusage schriftlich und eindeutig festgelegten Altersgrenzen beibehalten will, besteht u.E. ebenfalls kein Handlungsbedarf. Für diejenigen Unternehmen, die eine Anpassung der Versorgungsregelung noch durchführen wollen, ist eine Anpassung bis zum 31.12.2017 (bei einem mit dem Kalenderjahr zusammenfallenden Geschäftsjahr) ratsam, um die im BMF-Schreiben angedrohte Rückstellungsauflösung zu vermeiden, auch wenn deren Rechtsgrundlage als zweifelhaft erscheint. Der Geltungsbereich der Regelungen des BMF-Schreibens ist leider ebenso unklar wie der der in Bezug genommenen BAG-Urteile. Zumindest bei Gesamtversorgungszusagen ist bei einem Auseinanderfallen von Schriftform der Zusage und tatsächlicher Anwendung eine Anpassung der Schriftform ratsam, um die Anerkennung der Pensionsrückstellung nicht zu gefährden.